Pop against H8?
Pop against H8 ist ein Projekt des Roma Centers. Dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft begegnen wird mit den Mitteln der Populärkultur. Die Radikalisierung der Mitte findet nicht nur auf der politischen Bühne statt. Der digitale Stammtisch in „sozialen“ Medien, Blogs, Foren und Kommentarspalten von Zeitungen lässt unverhohlen seine Menschenfeindlichkeit von der Kette. Menschenverachtende Äußerungen werden mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt.
Roma bieten dabei eine besonders populäre Angriffsfläche für Rassist_innen und andere autoritäre Charaktere. Bilder von Klischees werden reproduziert, um das eigene Weltbild zu bestätigen und seinen Hass auf gesellschaftlich Schwächere auszuleben.
Pop against H8 setzt dem positive Bilder entgegen. Bilder, die keine Klischees bedienen, sondern Mut und Stärke zeigen. Dazu gehören Comic-Figuren ebenso wie Musik und Videoclips.
„Musik ist ein Instrument des Empowerment“
Der serbische Rom und Hip Hop-Künstler Kastro Brijani im Interview mit dem Roma Antidiscrimination Network (RAN) über sein neues Album, Rassismus und Widerstand.
RAN: Kastro, du hast gerade dein drittes Album veröffentlicht – Kastro Against White Supremacy. Warum der Titel?
Kastro: Seit meiner Jugend sehe ich das Problem, dass Weiße oder die Mehrheitsbevölkerung alle anderen unterdrücken, zum Beispiel Serben halten sich für besser, Roma werden wie Menschen dritter Klasse behandelt. Das hat eine lange Geschichte, Roma werden seit langem diskriminiert und gesellschaftlich ausgeschlossen. Gerade heute sehen wir in Serbien wieder den Aufstieg von Neonazis und Angriffe gegen Roma. Das ist natürlich kein serbisches Problem, derzeit gibt es in vielen Ländern wieder eine Zunahme an Diskriminierung gegen Minderheiten. Weiße Strukturen herrschen überall und Menschenrechte gelten nicht für alle. In meiner Musik geht es genau darum.
RAN: Du bist serbischer Rom und singst auf Romanes. Wie bist du dazu gekommen?
Kastro: Eigentlich bin ich in Deutschland geboren. Meine Eltern sind als Gastarbeiter dahin gegangen. 1974 wurde ich in Singen geboren. Als ich fünf Jahre alt war, kehrten sie zurück nach Jugoslawien, um sich ein neues Leben in Priština aufzubauen.
Ende der 1980er, Anfang der 1990er habe ich angefangen, schwarze Musik und Hip Hop zu hören und mich mit den Inhalten beschäftigt. Mich hat das Widerstandspotential dieser Musik sehr fasziniert. Das ist auch der Grund, warum ich auf Romanes singe. Mir ist es wichtig, dass die Leute verstehen, was ich ihnen zu sagen habe und sich mit der Musik, den Texten identifizieren können. Ich sehe Musik als Instrument, sich zu empowern. Das ist eigentlich auch der Ursprung von Hip Hop. Heute ist das bei vielen Musikern leider verloren gegangen, und es geht nur noch um Materialismus und Machotum.
RAN: In der Zeit, als du begonnen hast, dich mit Musik zu beschäftigen, begannen auch die Kriege in Jugoslawien. Du machst sehr politische Musik – welche Rolle spielten die Kriege dafür?
Kastro: Um 1990, das war eine schlimme Zeit, die Kriegsangst war sehr verbreitet. Ich war damals ein Teenager und da bist du sehr sensibel. Ich habe gemerkt, dass die Situation immer ernster wurde, und die Kriege sind immer aggressiver geworden. Die ganzen schlimmen Sachen, die ich gesehen und gefühlt habe – ich wollte das alles in Worte fassen. Und das konnte ich durch die Musik und das Texten.
Das ist heute auch noch so. Die Situation ist ja immer noch schlimm, und das empfinden vielen Menschen in Serbien so. Korrupte Politiker, die Nationalismus geschürt und von den Kriegen profitiert haben, sind an der Macht. Die Politiker sind reicher geworden, und die Bevölkerung lebt in Armut. Für eine Minderheit wie die Roma ist es natürlich noch schlimmer, denn wir haben kaum Freiheiten. Das sind Themen, die mich beschäftigen.
RAN: Du hast deine Jugend und dein junges Erwachsenenleben im Krieg verbracht…
Kastro: Ja, die Zeit um 1990 war ja nur der Anfang. Auch wenn die Kriege nach 1995 zunächst abgenommen haben, wussten wir, dass Schlimmeres kommen würde. Und das war 1998, 1999, als die Nato Jugoslawien bombardiert hat. Das war ein Schock, ein Trauma. Nach diesen ganzen Kriegen, die wir überlebt haben, jetzt wieder 78 Tage Bombardierung. Seitdem kann ich nicht mehr glücklich sein. Ich hatte nur noch Dunkelheit vor Augen. Aber das hat mich noch mehr gepusht, mich zu engagieren. Für mich hat das zu politischem Aktivismus geführt, mich dazu gebracht, meine Musik für politisches Engagement zu nutzen.
RAN: Wie engagierst du dich?
Viele Jugendliche hören Hip Hop, deswegen gebe ich Workshops, in denen ich ihnen die Grundlagen des Hip Hop vermittele, musikalisch und politisch. Das heißt, sie sollen den wirklichen Hip Hop kennen und was damit verbunden ist: Widerstandspotential und Empowerment.
Ich habe ein Lied für alle bleiben gemacht, weil ich deren Arbeit gut finde und es wichtig ist, für das Bleiberecht von Roma in Deutschland zu kämpfen. Gerade in Serbien bekomme ich mit, wie die Leute nach der Abschiebung leiden. Selamet Prizreni, der in Deutschland geboren ist und sein ganzen Leben dort verbracht hat, wurde letztes Jahr abgeschoben und hat eine Weile bei mir gelebt, weil seine ganze Familie in Deutschland ist und er niemanden sonst hier hat.
Ansonsten trete ich regelmäßig bei Soli-Konzerten für Menschenrechte und gegen Rassismus auf. Jetzt am 16. September bin ich beim Solipolis-Festival in Hamburg. Dort werde ich mein neues Album präsentieren. Und am 29. September trete ich bei we‘ll come united auf, ebenfalls in Hamburg. Dort werde ich auf dem Truck sein und wer will, kann vorbei kommen.
Kastro Brijani gehört zu den wenigen Hip Hop-Künstlern, die auf Romanes singen, sich für Menschenrechte engagieren und der Mainstream-Hip Hop-Kultur entsagen. In Serbien gibt es keine Strukturen für solche Aktivisten und Künstler.
Hier könnt ihr das Album oder einzelne Lieder kaufen. Das Geld geht an den Künstler und ihr unterstützt damit seine unabhängige Arbeit gegen Diskriminierung und Rassismus und für Menschenrechte.
Das Roma Antidiscrimination Network (RAN) wurde vom Roma Center e.V. gegründet. Durch Bildungsarbeit, Beratung und Empowerment wirken wir Rassismus und Diskriminierung gegenüber Rom_nja entgegen.
Roma-Tag beim Festival SoliPolis in Hamburg
Während des SoliPolis-Festivals in Hamburg haben wir einen Medien-Workshop unter dem Motto
Pop against Hate gehalten.
Zusammen mit dem spanischen Roma-Aktivisten Vicente Rodriguez haben wir mit den Teilnehmenden erarbeitet, wie der Faschismus in Comics verhandelt wird. Besonders wichtig ist dabei, dass in ihren Ursprüngen viele Comic-Figuren Kämpfer_innen gegen den Faschismus waren, Comics also Teil einer antifaschistischen Popkultur waren. Dies hat sich in der Nachkriegszeit sukzessive gewandelt, wie an der Figur des Captain America gezeigt wurde.
Heute sind Medien wichtiger denn je, und Figuren wie Pepe the Frog, die eigentlich unpolitisch waren, werden von Rechten genutzt, um Hass zu verbreiten. In Zeiten des Rechtsrucks in Europa und den USA müssen wir Comics daher wieder für eine bessere Welt und eine gerechtere Politik nutzen. Wie das gelingen kann, wurde in unserem Workshop erarbeitet. Fortgeführt wurde dies bei der Parade von we‘ll come united am 29. September in Hamburg, wo wir zusammen mit den Roma-Mutanten und -Superheldinnen angetreten sind, die Welt ein bisschen besser zu machen: united against racism.
Auch der Hip Hop-Musiker Kastro ist beim Roma-Tag und bei we‘ll come united aufgetreten, und hat sein neues Album Kastro Against White Supremacy vorgestellt. Der serbische Rom textet gegen Hass, Diskriminierung und Unterdrückung und nutzt seine Musik für politisches Engagement, für Menschenrechte, für Empowerment.
Romani Truck from Latveria bei we’ll come united
Wir kamen gemeinsam nach Hamburg…
… für gleich Rechte für Alle, für Bleiberecht und gegen Faschismus. Am 29. September trafen sich in der schönen Hafenstadt Hamburg ca. 30.000 Menschen aus der gesamten Bundesrepublik und darüber hinaus zu einer großen Parade der Solidarität: we‘ll come united. Die Parade bestand aus mehr als 40 Wagen verschiedener Gruppen.
Das Roma Center e.V., das Roma Solidarity Bündnis und alle bleiben haben zusammen einen Wagen gestaltet. Auf unserem Romani Truck from Latveria gab es Redebeiträge und Musik.Inclusion4Real,Gipsy Mafia trat auf, Kastro stellte sein neues Album vor -Kastro Against White Supremacy- und Musiker aus Tschechien trugen traditionelle Klänge vor. Viele weitere Bands traten auf.
Josef Miker, tschechischer Roma-Aktivist, redete über das Erstarken der rechtsextremen Szene in Tschechien und über das ehemalige Konzentrationslager für Roma in Lety, auf dem eine Schweinemastanlage bestand. In vielen weiteren Beiträgen ging es um die brennenden Themen Abschiebung und Rassismus.
Die Parade begann am Rathausplatz, die Trucks zogen durch die Stadt zum Hafen, wo die Wagen ihr Programm fortführten.
Nicht nur die Straßen eigneten sich für Protest, auch auf dem Wasser wurde demonstriert.
Beim Abschlusskonzert spielte auch Kastro und präsentierte Stücke aus seinem neuen Album Kastro against white Supremacy.
Die Banner unseres Trucks sind inzwischen nach Prag weitergezogen, wo sie am 20. Oktober beim Roma Pride zu sehen sein werden.
Bis zur nächsten Parade! Roma bleiben – alle bleiben!
Roma Against H8
Workshop bei Projekttagen Demokratie in Essen
Bei den Projekttagen Demokratie bieten verschiedene Vereine und Organisationen Workshops zu Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenrechten für Schüler_innen an. Auch das Roma Center hat in diesem Jahr wieder mit den teilnehmenden Jugendlichen zu Rassismus gegen Roma gearbeitet.
Wir nutzen dafür die Medien der Populärkultur: Video und Musik. Mit einem Videoclip, in dem eine von Abschiebung bedrohte in Deutschland geborene Schülerin über ihre Situation erzählt, führen wir in das Thema ein. Die Teilnehmenden reagieren oft mit Empörung und verstehen intuitiv, welche Folgen eine Abschiebung für eine Schülerin haben wird.
Dieser Punkt wird mit einem Song von Gipsy Mafia vertieft. Die Roma-Künstler wurden selbst abgeschoben und beschreiben Formen von Diskriminierung in Deutschland und den sogenannten sicheren Herkunftsländern. Während der Projekttage haben wir mit den Jugendlichen einen Clip gedreht, mit dem sie ein Statement gegen Rassismus und Diskriminierung zu setzen.